Magdalena Heinzl ist Sexual-, Trauma- und Theaterpädagogin und arbeitet seit 8 Jahren als Klinische Sexologin im Sexologisch Zentrum für Sexuelle Bildung in Oberösterreich. Mehr Informationen unter: https://www.sexologisch.com/ Zudem ist sie Mitautorin der klicksafe-Handreichung "Let's talk about Porno".
Wie sieht der Arbeitsalltag einer Sexologin aus?
Als Sexologin arbeite ich mit Menschen allen Altersstufen und helfe ihnen in ihrer individuellen sexuellen Entwicklung und bei Fragestellungen. Ob in Workshops für Kinder und Jugendliche, bei Fortbildungen für Eltern, Bezugspersonen und Fachkräfte, als auch bei der Sexualtherapie im Einzel- oder Paarsetting – jeder Tag sieht anders aus.
Als Sexologin werden Ihnen viel Fragen rund um das Thema Sexualität gestellt. Welche Frage kommt immer wieder vor?
Die Frage aller Fragen, die fast hinter jeder Frage steckt, ist: „Bin ich normal?“ Egal, ob es um die Häufigkeit von Sexualität in Beziehungen geht, um das Aussehen, um Praktiken usw. Natürlich sind oft auch Mythen dabei, wie, dass das Jungfernhäutchen beim ersten Mal einreißt und blutet oder dass man von zu viel masturbieren schlechter sieht.
Sie beantworten auch Kinderfragen zum Thema Sexualität. Inwiefern unterscheiden sich diese Fragen von den Fragen Jugendlicher und was muss man bei der Beantwortung beachten?
Man muss sich immer an den Entwicklungsstand der Zielgruppe und auch an das Wording der Zielgruppe anpassen. Als Profi höre ich genau hin und versuche Fragen, die oft auch codiert sind, zu entschlüsseln. Ich versuche also eine Antwort nicht nur auf die gestellte Frage zu geben, sondern auch auf alle Fragen, die eventuell dahinter liegen könnten und indirekt mitgefragt werden.
Jugendliche, die im Internet Pornografie konsumieren – ist das ein Problem oder vielleicht sogar gut zum Beispiel für die sexuelle Aufklärung?
Pornografie existiert in unserer Gesellschaft – ob wir das nun gut finden oder schlecht, ist eine Haltungsfrage. Fakt ist, wir werden mit pornografischen Inhalten konfrontiert. Viel wichtiger als die Frage, ob Pornos gut oder schlecht sind für (junge) Menschen, finde ich, ist es anzuerkennen, dass viele Menschen aus Pornos ihr Wissen für Sexualität ziehen. Für mich ist flächendeckende sexuelle Bildung für alle Altersgruppen ein wichtiger Schritt dafür, dass Pornos nicht die erste und vor allem einzige Informationsquelle zu diesem Themenkomplex bleiben.
Was benötigen Jugendliche, um eine positive und gesunde Sexualität zu entwickeln?
Die sexuellen Basiskompetenzen werden in den ersten zehn Lebensjahren entwickelt. Wenn wir da Rahmenbedingungen schaffen, in denen Körperwahrnehmung gefördert wird und auch Themen rund um Sexualität gesprochen werden kann, dann ist das nicht nur Gesundheitsförderung, sondern auch immer Prävention von sexueller und sexualisierter Gewalt.
Welche Verbesserungsbedarfe gibt es Ihrer Meinung nach bei der sexuellen Aufklärung in der Schule?
Zunächst sollte sexuelle Bildung in allen Lehranstalten, die pädagogische Fachkräfte ausbilden, ein fixer Bestandteil des Lehrplans sein und nicht nur ein Wahlfach oder gar auf wenige Stunden reduziert. Sexuelle Bildung sollte schon früh ein Thema sein und nicht erst mit Eintritt in die Pubertät. Diese Verantwortung sollten sowohl die Schulen als auch Eltern und Bezugspersonen zusammen mit externen Fachpersonen tragen, um so die besten Möglichkeiten zu schaffen. Sexuelle Bildung ist kein „einmaliges Gespräch“. Es ist unser Alltag, wie wir mit Fragen umgehen und wie wir mit unseren eigenen und anderen Körpern und Grenzen umgehen.
Einige Erwachsene fühlen sich unwohl, wenn sie über Sexualität sprechen sollen. Das kann vor allem ein Problem sein, wenn man zum Beispiel als Lehrkraft Fragen rund um Sexualität beantworten soll. Was kann man in so einem Fall tun, um mehr Souveränität zu erlangen?
Anerkennen, dass es einem schwerfällt, ist schon ein guter Anfang. Je mehr man sich selbst mit dem Thema auf einer fachlichen Ebene beschäftigt, umso besser. Die Reflexion der eigenen Sexualbiografie ist von enormer Bedeutung, um zu vermeiden, dass Werte und Normen einfach übergestülpt werden und so oft an der Lebenswelt der Jugendlichen vorbeigehen. Wenn man das Thema aktiv angehen will, empfehle ich die Ausbildung zur Sexualpädagogin bzw. zum Sexualpädagogen.
Gibt es Fehler oder No-Gos in der (schulischen) Aufklärungsarbeit, die man auf jeden Fall vermeiden sollte?
Ein No-Go ist es für mich, wenn private Informationen mit Schülerinnen und Schülern geteilt werden. Ich war mal in einer Klasse, in der die Pädagogin von ihrem ersten Mal berichtet hatte. Bestimmt keine böse Absicht. Übergriffig war es dennoch. Und genau darum muss man sich fachlich fundiert mit all diesen Themen auseinandersetzen und Sexualpädagog*innen und Sexolog*innen wie ich helfen da sehr gerne weiter.